Walter Henneberger
Henneberger, Walter (1883–1969). 1929–69. Schullehrer und Schachmeister, bildete mit seinem Bruder Moriz, Vater August und Neffe Hans Henneberger die gewichtigste Schweizer «Schachdynastie».
Alle vier brachten Hervorragendes hervor,
im Wettkampfschach ebenso wie im Problemschach, im
Fernschach und in der Schachorganisation.
Walter Henneberger
wuchs in Basel auf, wo er sich zusammen mit dem 5 Jahre
älteren Bruder Moriz, den drei Duhm-Brüdern sowie Erwin
Voellmy und Walther Preiswerk bei Anbruch des 20. Jahrhunderts
im Schmelzpunkt des Schweizerischen Schachlebens
befand.
Schon als 21-Jähriger übernahm er zusammen mit Moriz
die Redaktion der Schweizerischen Schachzeitung. Nach
Germanistik- und Altphilologiestudium absolvierte er schliesslich
in Bern das Staatsexamen.
In den Jahren 1907 bis 1909
bescherte ihm ein Aufenthalt als Hauslehrer im zaristischen
Russland einen reichen Fundus an Erlebnissen, Abenteuern
und Anekdoten.
Nach seiner Rückkehr wirkte er einige Zeit in
St. Gallen, ehe er an der höheren Stadtschule in Glarus seine
Lebensstelle fand, wo er während vollen vier Jahrzehnten als
Lehrer tätig blieb, bis er sich mit 70 Jahren pensionieren liess
und seinen Ruhestand in Glattbrugg bei Zürich verbrachte, von
wo aus er bis zuletzt noch zahlreiche Schachunternehmungen
bestritt.
Walter Henneberger war vom Schachspiel begeistert in all seinen Facetten. Als junger Mann beschäftigte er sich intensiv mit der Problemkunst und brachte viele schöne Aufgaben hervor.
Als Präsident des Schachklubs Glarus kümmerte er sich
wiederholt intensiv um die Verbreitung des Spiels auch abseits
der grossen Zentren und wurde ebenso wie in St. Gallen für
seine Verdienste als Schachlehrer zum Ehrenmitglied ernannt.
Geradezu selbstverständlich stand er 1932 zur Verfügung, als
die Sendereihe «Schach am Radio» anstand.
Als Schullehrer
war es ihm immer auch ein Anliegen, der Jugend den Zauber
des Schachspiels näher zu bringen. Mit Ernst Strehle fand
er in Glarus einen Schüler, der seinerseits das Zeug zum Schweizermeister
hatte, und nach seiner Pensionierung engagierte er
sich intensiv in der sich allmählich formierenden Schweizer Jugendschachbewegung,
gab Kurse und waltete bei der ersten
Jugendmeisterschaft in Oerlikon 1956 als Turnierleiter.
Dem Fernschachspieler Henneberger kam 1936 als einzigem
Schweizer die Ehre zu, vom Internationalen Fernschachbund
(IFSB) zum «Internationalen Fernschachmeister» ernannt zu
werden. Als in den vierziger Jahren die Schweizerische Fernschachmeisterschaft
ins Leben gerufen wurde, teilte er zuerst
den zweiten Preis (mit Voellmy), wurde anschliessend Vierter
und siegte im dritten Turnier ex aequo mit seinem Bruder
Moriz.
Selbst noch mit über 80 Jahren stand er später im «Goldenen
Springer»-Fernturnier erfolgreich seinen Mann.
Da er in Glarus keinen regelmässigen Kontakt mit anderen
Meistern hatte, beschäftigte sich Walter Henneberger auch
intensiv mit der Eröffnungsanalyse. Seine gründlichen Untersuchungen
zum Offenen Spanier, zum Max-Lange-Angriff,
zum Lettischen Gambit und zur Aljechin-Verteidigung fanden
weitherum Anerkennung. Mit seiner Henneberger-Variante im
orthodoxen Damengambit (7.... a6) schrieb er gar Schachgeschichte.
Nachdem Alexander Aljechin 1925 in einer Uhren-
Simultanvorstellung am eigenen Leibe die Tücken dieser Variante
hatte erleben müssen, erkor er sie zwei Jahre später zu
seiner Hauptverteidigung im WM-Wettkampf mit Capablanca
und verlor damit in acht Partien kein einziges Mal!
Auch
später verfolgte Walter Henneberger seine eigenen Eröffnungstheorien.
Während sein bescheidener Spezialaufbau gegen 1.
d4 mit Nf6, e6, d6, Be7, O-O, Nc6 und schliesslich e6–e5 –
den er öfters sogar im Anzug anwandte – von der Bildfläche
längst wegen seiner Passivität verschwunden ist, hat sein Patentrezept
gegen Sizilianisch mit 1. e4 c5 2. Nc3 Nc6 3. Bb5
in den frühen 2000ern eine überraschende Renaissance erlebt.
Doch in erster Linie war Walter Henneberger ein erfolgreicher
Turnierspieler. Nachdem er 1900 im Hauptturnier 1a des
Schweizerischen Schachturniers gesiegt hatte, sollte er von 1901
bis 1955 der SSV-Meisterklasse angehören!
In all den Jahren
verpasste er nur etwa ein halbes Dutzend Schweizer Meisterschaften
und war der wohl fleissigste Teilnehmer der Verbandsgeschichte.
Schon früh deutete er an, dass es ihm nicht nur
ums Dabeisein ging. 1904 gewann er das allerdings nur mittelmässig
besetzte Turnier in Luzern, zwei Jahre später teilte
er sich in einem viel stärkeren Feld in Basel den Sieg mit seinem
Bruder. Auch 1911 in Davos gelangte Walter Henneberger
zur Teilung des ersten Platzes, und 1912 in Lausanne brachte
ihm sein Sieg schliesslich auch offiziell den Titel des Landesmeisters
ein.
Zu einem fünften Turniersieg reichte es nach dem
Ersten Weltkrieg nicht mehr, aber zu zahlreichen ehrenvollen
Placierungen. 1937, 1941/42, 1947 und 1949 wurde er Zweiter.
Vor allem beim letzten Anlass hatte Walter Henneberger nochmals
für Furore gesorgt, lag der 66-Jährige doch bis zur letzten
Runde auf Siegeskurs. 1941 gewann er die erste Ostschweizer
Meisterschaft, und noch 1955 siegte er sensationell an der Zürcher
Stadtmeisterschaft. 1956 und 1957 schwang er schliesslich
trotz seines hohen Alters in den damals sehr populären und
starken Stundenturnieren des Kaufmännischen Schachvereins
obenauf, wo er unter anderem dem aufgehenden Stern Dieter
Keller die Schau stahl.
Einzig in den starken Winterturnieren der Schachgesellschaft blieb ihm der Erfolg verwehrt. Dennoch beteiligte er sich bis ins hohe Alter an diesen Veranstaltungen und stand dem Verein auch als Revisor bis zum 81. Altersjahr zur Verfügung!