Henry Grob
Grob, Henry (1904–1974). 1942–74. Porträtzeichner, Kunstmaler, Werbefachmann und erster Schachprofessional in der Schweiz.
Geboren im ostböhmischen Braunau als Sohn
Schweizer Eltern, bildete sich Grob in Zürich, Paris und Wien
zum Kunstmaler aus und machte sich als Porträtzeichner einen
Namen.
Berühmte Persönlichkeiten wie Thomas Mann, Le
Corbusier und Auguste Piccard, aber auch zahlreiche Grössen
der Schachwelt liessen sich von ihm porträtieren.
Von 1928 bis 1931 war er Reklamechef bei Jelmoli und auch später, als er zeitweise eine eigene Werbeagentur betrieb, unterhielt er enge Kontakte zum renommierten Zürcher Kaufhaus, das vielen seiner Schachzweikämpfe Pate stand. Mitte der zwanziger Jahre begann für Henry Grob eine Zeit der intensiven schachlichen Betätigung, die ihn auch immer wieder ins Ausland führte.
Am Schweizerischen Schachturnier 1924 konnte er den 2. bis 4.
Preis teilen, zwei Jahre später durfte er die Schweiz am internationalen
Turnier in Meran vertreten und 1927 wurde er in
die Mannschaft für das Londoner Länderturnier berufen.
1932 entschloss sich Henry Grob, den Schritt zum Berufsschachspieler
zu wagen. Vor ihm hatten mit Hans Fahrni und
Paul Johner bereits zwei Schweizer die dornige Laufbahn
eingeschlagen, sich jedoch zu diesem Zweck schon früh nach
Deutschland begeben, denn nur dort war mit (bescheidenen)
Verdienstmöglichkeiten zu rechnen.
Grob war der erste Schweizer
Schachprofessional, der diesen Beruf im eigenen Land auszuüben
versuchte. In einer Zeit, wo noch keine Openturniere
stattfanden, wo keine ehrgeizigen Mannschaftsleiter starke
Spieler für die Ligawettkämpfe anheuerten und wo auch die
Spieler in der Nationalmannschaft allein der Ehre wegen antraten,
hatte es Grob fürwahr nicht leicht. Er setzte sich aber mit
seiner ganzen Schachbegeisterung und Werbeerfahrung für seine
Sache ein, organisierte Simultanvorstellungen, kleinere Trainingsturniere,
Wettkämpfe, Schachkurse und gründete Schachspalten.
Er schlug die Trommel für das Schachspiel ebenso wie
für sich selbst.
Er hatte erkannt, dass Anerkennung und Honorierung
als Schachmeister nur in einer Gesellschaft mit breiter
Basis von Amateuren und Schachliebhabern zu erringen waren.
Nur so konnte die Bereitschaft entstehen, die Besten der
Gattung finanziell zu unterstützen.
Es erstaunt wenig, dass Grobs enthusiastisches, aber manchmal
polemisches und durchaus auch eigennütziges Engagement
nicht überall Zustimmung fand. Besonders der Basler Koryphäe
Erwin Voellmy war Grobs «Selbstbeweihräucherung» ein
Dorn im Auge, und er fand in der Schachzeitung und in seiner
Schachspalte nur selten lobende Worte für seinen Zürcher
Kollegen, der seinerseits auch kein Blatt vor den Mund nahm
und seiner Kritik an Voellmy und am Verband freien Lauf
liess.
Schon 1934 hatte Grob eine eigene Schachagentur gegründet
und den SSV-Delegierten sein Programm präsentiert, das
auf mehr Turniere, mehr Entsendungen an internationale Veranstaltungen,
tiefere Mitgliederbeiträge, erhöhte Propaganda
und eine Reduktion der Schachzeitung abzielte.
Zum offenen
Konflikt kam es 1937, als Grob den SSV-Präsidenten scharf angriff
und seine Abwahl forderte, in geheimer Wahl aber unterlag.
Auch später kam es wiederholt zum Disput mit dem Verband,
der nach Grobs Ansicht bei der Propagandaarbeit und
bei der Gestaltung der Schachzeitung falsch vorging.
Rückblickend ist es bedauerlich, dass Grob mit dem Verband
so oft auf Kriegsfuss stand, denn er hat sich unbestritten
gewaltige Verdienste um das Schweizerische Schach erworben
und weit mehr getan, als ihm selbst von direktem Nutzen war.
Zwölf Schachspalten hat er (nach eigenen Angaben) ins Leben
gerufen, darunter eine bedeutende in der «Tat», ausserdem betreute
er sechs Jahre lang die populäre Rubrik in der «Zürcher
Illustrierten».
Zwei im Wochentakt publizierte Schachzeitungen
hat er herausgegeben: den «Schach-Kurier» (1935–37)
und den «Schach-Express» (1949–51). Beide dienten natürlich
nicht zuletzt der Verkündung seiner eigenen Taten und blieben
kommerziell unergiebig, sind aber bis heute unterhaltsam zu
lesen. Ausserdem beschäftigte er sich schon in den 30er Jahren
mit Kinder- und Schulschach, gründete 1944 das «Heerund
Hausschach» in der Schweizer Armee und initiierte später
Schachkurse in der Migros-Klubschule.
Seine publizistische Tätigkeit dehnte Grob schon früh auf
das Verfassen kleinerer Bücher aus. Im eigenen Schachverlag
erschienen mehrere erfolgreiche Werke, die eine Gesamtauflage
von über 100 000 Exemplaren erreichten. 1938 erschien
«Die Eröffnung unter Anwendung des Kampfplans», 1942 das
Lehrbuch «Lerne Schachspielen» und 1945 «Endspiele». In den
Jahren 1942, 1944 und 1946 gab es den praktischen «Schachkalender
».
Später folgten Publikationen zum Englund-Gambit
und zu seiner Patenteröffnung 1. g4, die man heute zurecht in
der ganzen Welt als «Grobs Eröffnung» kennt. Ab 1940 wurde
Grobs Zeit immer stärker von einem neuartigen und aussergewöhnlichen
Propagandaunternehmen beansprucht, der «NZZ Fernschachzentrale
».
Ursprünglich nur für Soldaten gedacht,
konnte hier später jedermann gegen eine kleine Gebühr eine
Fernschachpartie mit dem internationalen Meisterspieler austragen.
Jeden Morgen veröffentlichte das Blatt die Antworten
von Grob auf die Züge, die ihm die Leser am Vortag zugeschickt
hatten. So spielte er oft 60 und mehr Partien gleichzeitig und
bot unzähligen Schachfreunden nah und fern eine grossartige
Spielmöglichkeit, die rege genutzt wurde. Bei seinem Rücktritt
1973 hatte Grob die Rekordzahl von 3614 Fernpartien
gespielt. Jules Ehrat und vor allem Edwin Bhend setzten
das Werk bis 1999 fort.
Die lehrreichsten und unterhaltsamsten seiner NZZ-Fernpartien veröffentlichte Grob in fünf Sammlungen. Dabei war er sich keineswegs zu schade, auch zahlreiche Siege seiner Gegner einzurücken, obwohl er insgesamt eine stolze Gewinnquote von 81 Prozent aufweisen konnte.
So sind es denn in erster Linie seine grossen Erfolge als Organisator,
Propagandist und Journalist im Dienste von Caïssa,
denen Grob seinen verdienten Ruhm verdankt. Seine Leistungen
als Turnier- undWettkampfspieler treten etwas in den Hintergrund,
obwohl er auch hier einige schöne Erfolge verbuchen
konnte.
1939 und 1951 gewann er die Schweizer Landesmeisterschaft,
weitere sechs Male landete er auf dem alleinigen oder
geteilten zweiten Platz. Bei seinem Sieg 1939 in Montreux erzielte
er überragende 10½ von 11 Punkten und zweieinhalb
Punkte Vorsprung auf den Serienmeister Hans Johner!
1942,
1943 und 1949 gewann Grob die Zürcher Stadtmeisterschaft,
die er 1940 selbst initiiert hatte und die vom Zürcher Stadtverband
organisiert wurde. Bei dessen Gründung war Grob 1935
ebenfalls mit von der Partie.
Hinzu kommen zahlreiche Erfolge
in den von ihm selbst organisierten Trainingsturnieren der 30er
und 40er Jahre, im Jubiläumsturnier des ASK Oerlikon 1950
(vor Kurt Kaliwoda und Bob Wade), im «Bostitch-Turnier»
1951 (mit Max Blau) und im internationalen Zürcher Seniorenturnier
1962 (mit Boris Kostic).
Mit Abstand den grössten Erfolg in mehr als hundert Turnieren und Zweikämpfen konnte Henry Grob allerdings 1937 in Ostende feiern: Er gewann das internationale Turnier im belgischen Kurort zusammen mit Paul Keres und Reuben Fine. Die beiden Grossmeister, die notabene beide von Grob besiegt wurden, sollten nur ein Jahr später am inoffiziellen WM-Kandidatenturnier, dem AVRO-Turnier, gemeinsam vor der versammelten Weltspitze siegen. Verständlich, dass sich Grob nach seinem phantastischen Erfolg eine Weile selber als «Grossmeister» bezeichnete (und damit natürlich prompt den Spott der weniger wohlgesonnenen Kollegen hervorrief).
Spielte er später auch nicht mehr auf grossmeisterlichem Niveau, so hatte er die Genugtuung, 1950 zu den ersten von der Fide offiziell ernannten «Internationalen Meistern» zu zählen – ausgerechnet Intimfeind Voellmy hatte dem Weltverband den entsprechenden Antrag unterbreitet.
Grob, der seine ersten Schacherfolge in Wien erzielt hatte,
war nach seiner Übersiedlung in die Schweiz Anfang der
zwanziger Jahre erst jahrelanger Vorkämpfer des Schachklubs
Springer (bis 1936) und später des Kaufmännischen Schachvereins,
ehe er sich im Krieg endlich auch der etwas elitäreren
Schachgesellschaft anschloss.
Allerdings war er schon früher zu
deren Vereins- und Trainingsturnieren eingeladen worden und
hatte sowohl 1936/37 wie 1939/40 das Winterturnier gewonnen.
Ein glänzender und witziger Unterhalter, war Henry Grob in der Schachgesellschaft jederzeit herzlich willkommen, und als er kurz nach seinem 70. Geburtstag verschied, betrauerte ganz Schach-Zürich, unabhängig von jeglicher Vereinscouleur, den Hinschied eines grossartigen Pioniers.