Paul Johner
Johner, Paul Ferdinand (1887–1938). 1925–29 und 1932. Musiker und Schachmeister.
Obwohl mit seinen Auftritten
und Erfolgen international deutlich bekannter als sein jüngerer
Bruder Hans Johner, hat Paul Johner in seiner Heimat weniger
Beachtung gefunden, was daran lag, dass er erstens meist
im Ausland lebte und zweitens viel früher verstarb.
Begonnen
hatte er seine Karriere in jungen Jahren auf den deutschen
Hauptturnieren; bereits 1904 mass er sich in Coburg mit künftigen
Grossmeistern wie Vidmar, Duras, Spielmann und Nimzowitsch.
Zwei Jahre später kam er auf den zweiten Platz,
und schon bald nahm Johner regelmässig an den grossen internationalen
Turnieren teil. Ein geteilter dritter Platz 1907 im
Amateurturnier von Ostende sollte seine wohl beste Placierung
vor dem Krieg bleiben.
Schon früh, mit 18 Jahren, überquerte Johner den atlantischen
Ozean und in den Jahren 1905 bis 1907 sowie 1909
bis 1911 hielt er sich vorwiegend in New York auf, wo er seine
musikalische Ausbildung vollendete, aber auch im Schachkampf
mit Meistern wie Marshall und Capablanca Erfolge
und Erfahrungen sammelte.
Im Winter 1906/07 verewigte er
sich als Klub-Champion in den Ehrenlisten des Manhattan
Chess Club, und 1911 gewann er die Meisterschaft der New
York State Chess Association; ausserdem sorgten seine Blind-
Simultanvorstellungen mit bis zu 12 Gegnern für Schlagzeilen.
Später liess sich Paul Johner permanent in Berlin-
Charlottenburg nieder, wo er sich – ähnlich wie der jüngere
Bruder – rund ein Vierteljahrhundert als Cello-Spieler und mit
Musikunterricht einen Lebensunterhalt zu verdienen versuchte,
sich aber auch immer stärker dem Schachspiel widmete und
nach Hans Fahrni als zweiter Berufsschachmeister aus der
Schweiz zu gelten hat.
Ein erster bedeutender Erfolg gelang
ihm 1916 mit dem Sieg im Nordischen Kongress in Kopenhagen.
1920 setzte er sich in Göteborg in der stark besetzten
B-Klasse durch (vor Euwe, Grünfeld, Sämisch und anderen),
und 1923 gelangen ihm gleich zwei internationale Turniersiege:
gemeinsam mit Spielmann im Scheveninger Turnier (vor
Maróczy, Réti, Colle und anderen) und alleine in Triest, vor
Meistern wie Canal, Yates, Tarrasch und Rosselli.
Den vielleicht
schönsten Erfolg feierte er 1924 im Berliner Viermeisterturnier,
wo er Akiba Rubinstein, Richard Teichmann und
Jacques Mieses in die Schranken weisen konnte. Im Jahr darauf
teilte er am starken Meisterturnier in Debrecen den zweite
Rang mit Tartakower, der voll Lob für sein Angriffsspiel war:
«Für den Schweizer Meister Paul Johner gibt es nur eine Spielnuance:
Fortissimo!»
Bis zum Ende der zwanziger Jahre beteiligte er sich noch mit respektablem Erfolg an verschiedenen Meisterturnieren, vornehmlich in Berlin, danach wurde es allmählich ruhig um den älteren Johner und er bestritt nur noch ein paar Landesmeisterschaften in seiner Schweizer Heimat. Das Verhältnis der hiesigen Schachszene zu ihrem «Internationalen » war ein gespaltenes. Einerseits herrschten Freude und grosser Stolz über die Erfolge Johners, andrerseits kam es wiederholt zu scharfen Polemiken mit einzelnen Exponenten des Verbands.
Vor allem in den Jahren von 1926 bis 1930, als
er die Schachspalte der «Züricher Post» betreute, kam es mit
der einflussreichen Basler Fraktion zu erbitterten Auseinandersetzungen,
die sich wiederholt um die gerechte Entschädigung
von Berufsmeistern und das damals zum Teil noch angeführte
Amateurstatut drehten.
Weil mit dem Landesverband keine
Einigung zustande kam, musste die Schweiz an den Länderturnieren
bis 1936 auf ihren prädestinierten Vorkämpfer (mit
Ausnahme der Fernschach-EM ein Jahr zuvor) verzichten.
Mit seiner Tendenz zum Sarkasmus und Übermut machte sich Paul Johner im Umgang mit der Schweizer Schachgemeinde manchmal selbst das Leben schwer. An den Meisterschaftsturnieren wurde er aber trotzdem immer wieder herzlich willkommen geheissen. Mehrmals wurde ein Extrahonorar ausgesetzt, um die Teilnahme für den Berufsspieler einigermassen attraktiv zu gestalten. Achtmal nahm er zwischen 1907 und 1936 am Schweizerischen Schachturnier teil, dabei gehörte er fünfmal zu den Siegern und verpasste in den übrigen Jahren den Titelgewinn nur knapp. Höhepunkt war die Meisterschaft in Zürich, wo Paul Johner 1925 mit zehn von elf Punkten ein gewiss grossmeisterliches Resultat erzielte.