Max Pestalozzi
Pestalozzi, Max (Maximilian) (1857–1925). 1880–1925. P 1887–1901, EM 1901. Mathematiker und Eisenbahnbeamter, stammte aus einer Familie mit Schachtradition, die schon mit Grossvater Leonhard und Vater Adolf Salomon Pestalozzi dem Schachverein viele wichtige Impulse verliehen hatte.
Dennoch sollte der Sohn und Enkel mit seinem gewaltigen
Engagement all dies weit in den Schatten stellen.
Aufgewachsen im Elternhaus in den Seidenhöfen (heutige
Bahnhofstrasse), studierte Max Pestalozzi an der mathematischen
Abteilung des Polytechnikums und weilte mehrere Jahre
als Spezialist für Seidenfärberei in Frankreich und Österreich.
Nach seiner Rückkehr trat er der Schachgesellschaft bei, und
im Frühling 1884 feierte er seinen ersten grösseren Schacherfolg:
Am Wettbewerb des neu gegründeten Internationalen
Schachklubs Davos gewann er auf Anhieb den ersten Preis
mit 13 Punkten aus 14 Partien.
Es war dies das erste Turnier
auf Schweizer Boden mit internationaler Beteiligung; unter
den Teilnehmern waren Vertreter aus Österreich, Deutschland,
Holland, Russland und Amerika.
Mit Siegen am Künstlergütli-Turnier 1887 sowie am ersten
und zweiten Schweizerischen Schachturnier (zusammen mit
Popławski) etablierte sich Pestalozzi als führender Schachspieler
der Schweiz, ohne dass er je etwas darum gegeben hätte.
Denn seine Mission war nicht das Gewinnen von Partien, sondern
das Gewinnen von Schachfreunden. Mit unermüdlichem
Eifer setzte er sich für seine Schachgesellschaft ein, zu deren
Präsidenten er 1887 gewählt worden war, immer bemüht weitere
Kreise fürs königliche Spiel zu gewinnen und mit Wettkämpfen
und Turnieren für ein abwechslungsreiches Vereinsleben zu
sorgen.
Als 1889 der gesamtschweizerische Verein aus der Taufe gehoben
wurde, war er selbstverständlich an vorderster Front dabei.
Zuerst als Aktuar und ab 1895 als Präsident erwies er sich
als die treibende Kraft hinter dem jungen Unternehmen und
erwarb sich unvergessliche Verdienste um das ganze Schweizer
Schachleben.
Wie in der Schachgesellschaft standen ihm
auch auf nationaler Ebene verlässliche Kräfte zur Seite, welche
Pestalozzi mit seinem freundlichen und engagierten Wesen für
die gemeinsame Sache zu begeistern vermochte.
In den frühen Jahren wurden das Schweizerische Schachturnier
und die SSV-Delegiertenversammlung jeweils zusammen
an einem einzigen Wochenende durchgepaukt, so dass
den Vorstandsmitgliedern nur selten Musse blieb, sich an den
Wettkämpfen zu beteiligen. Stattdessen stellte Pestalozzi seine
Dienste als unparteiischer und erfahrener Abschätzer unbeendeter
Partien zur Verfügung – und davon gab es jede Menge!
Erst in den Jahren 1899 bis 1901 finden wir ihn selbst wieder in
den Ranglisten. In Lausanne, Bern und St. Gallen erzielte er je
3½ Punkte aus fünf Runden, was zweimal zum zweiten und einmal
(1901) zum geteilten ersten Rang reichte (mit Dr. Eugen
Meyer und den Basler Brüdern Andreas und Hans Duhm).
Es wäre zweifellos interessant gewesen zu sehen, wie ein Spieler
seines Kalibers im internationalen Vergleich, etwa an einem
der deutschen Hauptturniere, abschnitten hätte. Dafür fehlten
Pestalozzi jedoch der Ehrgeiz und wohl auch die Zeit. Statt sein
eigenes Spiel zu perfektionieren, förderte er lieber die Fähigkeiten
und Möglichkeiten seiner Vereinsmitglieder und besonders
der Jugend.
In seinem Beruf bewährte sich Pestalozzis Tüchtigkeit und
Umgänglichkeit ebenfalls hervorragend. Als Beamter der Nordostbahn
(unter Adolf Guyer-Zeller) arbeitete er sich in den
1890er Jahren schnell nach oben, so dass er nach der Verstaatlichung
der Eisenbahnen Ende 1901 nach Bern in die Generaldirektion
der Schweizer Bundesbahnen berufen wurde.
1908
beförderte ihn der Bundesrat zum Direktor der Administrativabteilung
im Eisenbahndepartement, ein Amt, das er bis 1921
ausübte. Sein Wegzug in die Bundeshauptstadt bedeutete für
die Schachgesellschaft einen herben Schlag, denn man liess den
äussert beliebten Präsidenten nur sehr ungern ziehen.
Eilends
wurde das Statut der Ehrenmitgliedschaft geschaffen, mit der
Pestalozzi an der ausserordentlichen Generalversammlung vom
17. Oktober 1901 ausgezeichnet werden konnte. Von Künstlerhand
wurde zu diesem Anlass eine gediegene Ehrenurkunde mit
Motiven des Schachspiels, der Stadt Zürich und dem Familienwappen
der Pestalozzi kreiert. Mit 120 Franken war dafür kein
Preis zu teuer!
Im Berner Schachklub wurde Pestalozzi mit offenen Armen empfangen und alsbald zum Vize- und 1904 zum Klubpräsidenten gemacht. Von der neuen Heimat aus besuchten er und der 20 Jahre jüngere Basler Moriz Henneberger in jenen Jahren regelmässig allein oder zu zweit die Schachvereine der Westund Zentralschweiz und betrieben mit Simultanvorstellungen vorzügliche Werbung für das königliche Spiel.
1906 legte Pestalozzi
nach längerer Krankheit seine Präsidialämter im Schachklub
Bern und im Schweizerischen Schachverein nieder. In der
Folge zog er sich vom aktiven Schachspiel fast vollständig zurück,
ohne jedoch den Kontakt zu seinen vielen Freunden ganz
abbrechen zu lassen. Besonders die Entwicklungen im Problemschach
verfolgte er bis zuletzt.
In den zwanziger Jahren liess er
sich dann sogar nochmals ans Schachbrett locken und bestritt
mehrere Vereinswettkämpfe für den Neuenburger Schachklub.
Als das mehrfache Ehrenmitglied 1925 in Monruz verschied,
trauerte mit der Schachgesellschaft Zürich die ganze Schweizer
Schachgemeinde um einen ihrer Wägsten.